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Eine Facebookveranstaltung, ein Post in eine Gruppe, eine Rundmail in den Verteiler vergangener Veranstaltungen – Wie erreiche ich als Larp-Veranstalter*in meine Spielenden? Und wie erfahre ich von Cons, die mich interessieren? Was machen wir in Zeiten der digitalen Überforderung mit noch einem Discordserver mehr und dem zunehmenden Schwinden von Facebook?

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Wie vernetzen wir uns als Larp-Szene untereinander? Dieser Artikel hat auch keine Antworten, aber ein paar Gedanken dazu.

Soziale Medien sind zentral für unser Hobby. Wir sind geografisch im deutschsprachigen Raum über mehrere Länder, in der internationalen Szene über die halbe Welt verstreut. Wir fahren viele Stunden, um uns für ein verlängertes Wochenende zu sehen, und verstreuen uns nach einem gemeinsamen intensiven Erlebnis wieder über den halben Kontinent.

Abgesehen von ein paar lokalen Stammtischen treffen sich viele Larper*innen nur auf Cons in echt. Und dazwischen? Im Internet. Wir tauschen uns über unsere Erlebnisse aus, erzählen Menschen, die nicht dabei waren, von der vergangenen Con, teilen Bilder und veranstalten ganze Larps online.

Diese Vernetzung ist zentral für ein Hobby, welches in immer neu gemischten Gruppen Menschen aus verschiedenen Kontexten und Orten zusammenbringt. So durchmischt sich die Szene und lebt weiter. Neue Cons werden oft von Menschen in zahlreichen Onlinetreffen gemeinsam entwickelt und geschrieben. Neben neuen Veranstaltungen, von welchen wir sonst nicht erfahren hätten, haben wir Zeit und Raum für Austausch über unsere gemeinsame Leidenschaft, die uns an Larps selbst zwischen Übermüdung, Afterparty und Conblues kaum bleibt.

Doch das Internet ist ein schnelllebiger Ort, die Nutzungsgewohnheiten- und Möglichkeiten von sozialen Plattformen und Hypes um sie ändern sich. Facebook verliert an Beliebtheit, viel des Larpaustauschs findet auf Discord statt. Doch auch dort soll nun Werbung geschaltet werden, zudem finden sich dort gewisse Funktionen nicht. Die vielen verschiedenen Server sind überfordernd. Wie gehen wir damit um?

Ein Großteil des sozialen Austauschs der Larpszene findet online statt © Discord
Ein Großteil des sozialen Austauschs der Larpszene findet online statt © Discord

Wie alles begann

Als ich auf Facebook mein Umfeld nach Vernetzungsmöglichkeiten fragte, erhielt ich verschiedene Larp-Foren vorgeschlagen, viele davon entweder sehr lokal oder nicht mehr aktiv. Im deutschsprachigen Raum war das vor einem Jahr offline gegangene Larp.Ning wohl die verbreitetste Plattform. Aus der Zeit davor ist die Rede von physisch versendeten Einladungen. Hinzu kommen Veranstaltungskalender wie Thilo Wagners Larpkalender oder das Schweizer Pendant larpkalender.ch.

Was seit dem Aufkommen des Internets bleibt, ist der gute alte E-Mailverteiler. So geht es mir auch mit meinen eigenen Veranstaltungen. Die persönlichen Briefe für Einladungen wurden inzwischen von Privatkontakten und Onlinemessenger wie WhatsApp oder Signal abgelöst, meist greife ich auf Kontakte von vergangenen Veranstaltungen zurück. Aber was mache ich, wenn ich Leute außerhalb von meinem persönlichen Freundeskreis einladen möchte?

Abgesehen von “Vitamin B” und den diversen kleineren Plattformen bleiben zur Zeit vor allem zwei hauptsächlich genutzte Angebote: Facebook und Discord. Hier sammelt sich die Kommunikation für vor und nach Larps, Vernetzung unter Spielenden und Veranstaltenden, sowie Werbung für neue Cons.

Facebook

Auf Facebook vernetzt sich die Szene weitflächig © Meta
Auf Facebook vernetzt sich die Szene weitflächig © Meta

Als ich vor bald zehn Jahren mit Larp begann, fand die komplette Vernetzung und Kommunikation auf Facebook statt. Zwar wurden Veranstaltungskalender zu Rate gezogen, doch wer sich an einem Larp kennenlernte, schickte sich eine Freundschaftsanfrage und blieb so automatisch auf dem Laufenden, ohne persönlichen Kontakt zu halten. Das Netz wuchs, in Gruppen wurde sich ausgetauscht – es fühlte sich nach einer Szene an.

Doch die Glanzzeit von Facebook ist vorbei: Timelines werden von Werbung und gesponserten Posts geflutet, der Algorithmus von angezeigten Posts ist so personalisiert, dass ich immer nur Aktivitäten von denselben wenigen Personen sehe. Inzwischen nutze ich die Plattform fast nur noch in der Larpcommunity und bin froh, dass es vielen anderen auch noch so geht. Die Larpszene scheint an Facebook festzuhalten.

Unsere letzte Veranstaltung (mit internationalem Publikum) haben wir beinahe nur über Facebook beworben und schnell alle 40 Plätze füllen können. Doch der Austausch unter der Veranstaltungsseite bleibt spärlich – dieser findet auf Discord statt.

Dabei bietet Facebook eine optimale Infrastruktur für Larper*innen. Die Veranstaltungs- und Gruppenfunktionen bündeln Events und verschiedene Unterthemen der Community. Spielberichte und Fotos von Larps, auf welchen man selbst nicht war, öffnen den Horizont über die selbst besuchten Cons. Lose Bekanntschaften können aufrechterhalten und passiv auf dem Laufenden gehalten werden: Optimal für eine Szene, in der man oft neue Leute trifft – Gruppen bestehen in weniger geschlossenen Räumen als auf anderen Plattformen.
Doch das Problem bleibt. Selbst wenn die gemeinsam alternde Szene an Facebook festhängt, ist es zunehmend schwer, neue Leute zu erreichen, die sich für Larp interessieren, aber schon lange auf andere soziale Medien gewichen sind.

Discord

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist Discord als zentrales Vernetzungstool auch in der Larpszene angekommen. Inzwischen hat beinahe jedes Spiel und jede Orga einen eigenen Server.

Die Gamingplattform dient auch vielen Larps zum Austausch © Discord
Die Gamingplattform dient auch vielen Larps zum Austausch © Discord

Discord scheint eine kleine Oase, man kann sich seinen eigenen, geschlossenen Ort erstellen, in welchem die eigenen Regeln herrschen – ganz an die Bedürfnisse der Gruppe, die ihn nutzt, angepasst. Die verschiedenen Channels lassen Diskussionen thematisch ordnen, das Chatformat führt zu einem gesprächsnahen Austausch. Es gibt Funktionen wie Voice- oder Videochats, man fühlt sich den anderen Menschen näher als in der Masse, in der Facebook daherkommt. In der Pandemie (und auch danach) finden immer wieder Onlinespiele statt, die ausschließlich auf Discord gespielt werden.

Der Nachteil: Wenn eine Person mehrere Larps in unterschiedlichen Kreisen besucht, erhält sie eine Flut von Nachrichten von jedem Server. Das kann schnell zu viel werden. Die Server lassen sich kaum mehr in der Ordnerstruktur unterbringen. Man kann Gruppen zwar auf stumm schalten, hat dadurch aber schnell das Gefühl, Dinge zu verpassen.

Discordserver sind geschlossene Räume. Und es sind laute Räume. Die Kanäle verleiten zu einem Austausch ähnlich vielen kleinen Gruppenchats. Es ist schwierig, wie mit einem Facebookpost Gespräche zu bündeln und zu sortieren. Und vor allem: wer nicht auf dem Larp war, kriegt auch nicht mit, worüber diskutiert wird. Man ist schnell Außen vor, kriegt nicht mit, wenn die Leute auf dem Server auch nach der Con im Austausch bleiben. Es gibt zwar Communityserver, wie der Modern Larp Server, die versuchen, dies zu überbrücken – aber auch diese werden schnell übersichtlich.

Und nun gab es auch noch die Nachricht, dass Discord Werbung schalten möchte. Wie das aussieht, ist noch abzuwarten. Doch im Grunde bleibt, dass Discord strukturierte Funktionen wie Facebook fehlen.

Versuche für neue Plattformen

Wohl diesen Nachteilen der bekannten Optionen geschuldet tauchen in verschiedenen Ecken der Szene immer wieder Versuche auf, eine komplett eigene Plattform für die Larpszene aufzubauen. Alle paar Jahre gibt es einen neuen Kickstarter, um eine Plattform aufzubauen, die alle Bedürfnisse der Szene vereint.

Tools wie der LarpManager oder von spezifischen Orgas selbst programmierte Optionen nehmen zumindest Aufgaben der Spieler*innenhandhabung ab. So zum Beispiel Möglichkeiten, digitale Charakterbögen, Zahlungen und IT-Spielgruppen alles in einem zu haben. Doch zur langfristigen Vernetzung und vor allem zum veranstaltungsübergreifenden Austausch taugen diese nicht.

Das Problem hierbei ist es, eine extrem heterogene Szene gemeinsam davon zu überzeugen, an einen Ort umzuziehen. Das Hobby umfasst nicht nur unterschiedliche Genres, sondern ist auch geografisch sehr weit gestreut. Hinzu kommen immer größer werdende Altersunterschiede und damit in der schnelllebigen Zeit des Internets auch die Nutzungsgewohnheiten. In meiner (und jüngeren) Generationen werden Foren kaum mehr benutzt, während sich andere mit neueren Plattformen wie Discord oder Instagram schwertun. Viele sind müde von noch einer weiteren Seite, die man im Auge haben muss.

Die Frage ist schlussendlich: Wofür brauche ich die Plattform? Geht es um den Austausch zwischen den Spielenden vor und nach dem Larp? Geht es darum, Werbung für neue Veranstaltungen zu machen? Geht es darum, Bilder und Berichte zu spezifischen Larps posten zu können?

FOMO ist in Ordnung

Alle anderen sind auf Con, nur du musst arbeiten, während deine Freund*innen voller Begeisterung Fotos des letzten Larps teilen. “Fear of Missing Out” (oder kurz FOMO), also die Angst etwas zu verpassen, ist gerade im Zeitalter der sozialen Medien allgegenwertig. Ich kenne das selbst zu gut und habe oft sofort Angst, nicht mehr dazuzugehören, wenn jemand von einem Larp postet, an welchem ich nicht war, oder nicht einmal davon mitbekommen habe.
FOMO geht nicht weg, egal auf welcher Plattform wir uns bewegen. Auf Facebook wird meine Timeline von Fotos geflutet, sobald eine Con in meinem Umfeld die Bilder freigibt – das kann schnell eine Quelle für Eifersucht sein, dafür bekomme ich so auch etwas von der Veranstaltung mit. Auf Discord herrscht mehr die Angst der verschlossenen Tür – ich weiß nicht, was in Servern passiert, derer ich nicht teil bin.
Egal welches Tool wir benutzen, vielleicht müssen wir davon wegkommen, den Anspruch zu haben, alles mitzubekommen. Wir werden nie alle auf die gleichen Cons gehen. Wir werden nie von allen Larps mitbekommen. Und das ist okay.
Auf einer Konferenz habe ich den Begriff “Joy of Missing Out” kennengelernt, ein Versuch, das Konzept umzudrehen und Fokus darauf zu setzen, dass man die Aktivitäten genießt, derer man Teil ist und sich versucht daran zu freuen, dass die Szene so groß ist, dass oft mehrere Cons am gleichen Wochenende stattfinden.

Das ist natürlich einfacher gesagt als gemacht, aber oft helfen kleine Dinge. Es ist in Ordnung, aus Discordservern wieder auszutreten oder diese stummzuschalten und auf die eigene, digitale Psychohygiene zu schauen. Wir müssen in dem Überangebot an Möglichkeiten unseren eigenen Weg finden.
Und gleichzeitig: wir kennen das Gefühl. Mit dem Bewusstsein lässt sich auch darüber reden und sich gegenseitig unterstützen, sich weniger allein zu fühlen. 

Als Veranstalter*Innen bleibt uns im Endeffekt auch nichts anderes übrig, als die Community im Blick zu behalten und herauszufinden, wo sich das Zielpublikum für unsere Con herumtreibt. Der oben erwähnte E-Mailverteiler oder die persönlichen Kontakte werden hier wohl weiterhin im Fokus bleiben. Auch hier gilt: Larp wird größtenteils ehrenamtlich veranstaltet. Es ist auch in Ordnung, nicht alle zu erreichen. Genauso ist es legitim, in einer Welt voller Bubbles, bewusst den Schritt zu gehen und Werbung in einem Umfeld zu machen, welchem man selbst nicht angehört.

Fazit

Und was ist nun die Lösung für die Zukunft? Ich weiß es auch nicht. Auch wenn man sich die Eiermilchgebende Wollmilchsau der Larpplattformen wünscht – das wird es wohl nie geben. Die Szene wird sich weiter organisch entwickeln, und wenn ein Tool sich durchsetzt, dann, indem es langsam wächst und sich bewährt.

Dinge verändern sich und es bleibt die Hoffnung, dass sich irgendwann eine Plattform etabliert, die ähnliche Vernetzungsmöglichkeiten wie Facebook bietet und auch den anderen unterschiedlichen Bedürfnissen der Larpszene gewachsen ist. Eine Plattform, die offenere Räume als Discord zulässt, aber die gleichen Möglichkeiten zum Austausch.
Wahrscheinlich wird es das nie komplett geben, mit einer immer größer werdenden Szene werden auch Ansprüche immer mehr. Vielleicht müssen wir auch von den Gedanken wegkommen, von jedem Spiel immer mitbekommen zu müssen oder ein Tool zu haben, dass alles gleichzeitig löst.

Veranstaltungskalender oder Blogs sind in einer Zeit mit dichtem Onlineaustausch umso wichtiger für die Übersicht, während wir auch die sozialen Medien brauchen, um in Kontakt zu bleiben. Und an sich ist es doch etwas Schönes, dass sich die Larpszene so verbreitet, dass sie nicht in einem einzigen Forum unterzukriegen ist.

 

 

Artikelbilder: © Depositphotos | SergeyNivens
Layout und Satz: Verena Kröger
Lektorat: Rick Davids

 

 

Über den Autor

Rumo Wehrli ist ganz klassisch über Fantasylarp und D&D zum Rollenspiel gekommen. Inzwischen spielt er sich jedoch durch unterschiedliche Settings und ist vor allem bei kleinen, narrativen Pen-and-Paper-Regelwerken sowie im nordic/modern Larp zuhause. Ob als Spielleiter, Orga oder Spieler probiert er gerne neue Dinge aus. Im echten Leben arbeitet er in Theater, Film und Kleinkunst und lebt in der Schweiz.

 

 

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