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Wenn man das erste Mal mit dem Begriff LARP in Verbindung kommt, kann es sein, dass einem viele verschiedene Definitionen hierzu entgegenschwappen. Jeder hat eine andere Meinung, was LARP eigentlich genau ist, und versucht natürlich dem Neuling genau seine Definition ans Herz zu legen.

Oftmals macht sich diese Erklärung am Akronym LARP selbst fest. LARP steht für „Live Action Role-Play“ oder „Live Adventure Role-Play”. Es ist also ein Hobby, in dem reale Rollen dargestellt und Abenteuer erlebt werden. Doch das alleine reicht nicht aus, zu erklären, was LARP eigentlich ist. LARP umfasst mehrere Darstellungsformen, mehrere Genres und Spielinhalte, mehrere Partizipationsformen, und vor allem ist LARP unglaublich vielfältig, was alleine schon anhand der vielen unterschiedlichen Teilnehmern zu erkennen ist. In diesem Artikel möchte ich daher versuchen, eine allgemeine Definition des Begriffes LARP zu finden, die im Idealfall viele Möglichkeiten des Gebietes umreißt.

LARP ist …

Fangen wir ganz einfach an: LARP ist ein einzelnes Hobby.

Allein hier muss ich schon intervenieren. Denn bei so viel unterschiedlichen Meinungen dazu, was LARP eigentlich ist und vor allem, was den einzelnen Leuten an LARP Spaß macht, kann LARP nicht nur ein einzelnes Hobby sein. Manche Leute mögen das Rollenspiel, andere den Kampf, wieder andere das Erstellen von Requisiten und Gewandungen. Wieder andere leben sich beim Schreiben von Plots kreativ aus oder nutzen LARP als sozialen Baukasten zum Austesten von Lebenskonzepten. LARP kann so unglaublich vielfältig sein, dass man es mitnichten als nur ein Hobby bezeichnen kann. Natürlich, derjenige, der LARP beschreibt, hat ein Hobby. Dieses bezeichnet er zwar als LARP, aber diese Definition gilt nicht zwangsläufig für Andere.

Zweiter Versuch: LARP ist eine große Gruppe an Hobbys.

Damit bin ich schon einmal einen Schritt weiter. Was verbindet all diese Hobbys? Worum geht es? Um die möglichst detailgetreue Darstellung von Charakteren in Fantasy-Welten. So oder so ähnlich würden die meisten fortfahren,

Die nächsten Knackpunkte: Zum einen gibt es weitaus mehr Genres als nur Fantasy, die bespielt werden. Die bekanntesten sind neben Fantasy wohl Endzeit- und Zombie-LARPs, doch es gibt noch unzählige mehr. Horror, Cthulhu, Sci-Fi, Superhelden, experimentelle Mini-LARPs, Steampunk, Gaslight. In der Nordic-LARP-Szene gibt es noch viele andere Settings, die nirgends ad hoc eingeordnet werden können. Kurzum, es ist an Settings alles möglich, was der menschliche Geist sich vorstellen kann. Dies ist etwas, dass LARP mit Büchern oder Filmen gemeinsam hat.

Bei der detailgetreuen Darstellung haben wir wieder ein Problem. Denn für einige ist die Detailtiefe nicht das Spielziel. Das Spielziel ist viel eher Immersion, also das Eintauchen in die gemeinsam geschaffene Spielrealität. Dies kann für viele durch einen hohen Detailgrad in der Darstellung (Gewandung, Requisiten etc.) geschehen, aber für andere ist hierfür das Charakterspiel ausschlaggebender, für wieder andere beides. Teilweise reicht sogar ein Zettel mit dem Charakternamen aus, um den Spieler als den Charakter wahrzunehmen.

Der Sprung vom Hobby zum Medium

Dritter Versuch: LARP ist eine Gruppe an Hobbys. Sie alle haben gemein, dass sie am Ende auf die Darstellung von Charakteren in einem vorher festgelegten Setting abzielen. Im Idealfall wird ein möglichst umfassendes Erleben der gemeinsam erschaffenen Spielwelt durch die geschaffenen Charaktere erreicht.

Ich habe also festgestellt, dass LARP einige Parallelen zu Büchern, Filmen und Videospielen aufweist und gar nicht so eng gefasst werden kann, wie man eigentlich auf den ersten Blick denken möchte. Der eigene Blickwinkel umfasst meist nicht das gesamte Spektrum an Möglichkeiten, was jedoch auch vollkommen in Ordnung ist Leute haben unterschiedliche Geschmäcker, und es wäre wirklich gruselig, wenn wir alle dasselbe mögen würden. Doch genau diese Ähnlichkeiten und Generalisierungen sind es, die mich zum Umdenken bewogen haben. Was, wenn LARP gar kein wirkliches Hobby ist, oder, wenn es mehr als ein Hobby ist? Trifft vielleicht eine andere Kategorisierung eher zu – etwas, das der Vielfältigkeit des LARP eher gerecht wird?

Aber wenn wir schon bei Büchern, Filmen und Videospielen sind, wieso nicht direkt bei deren Kategorisierung bleiben? Sie alle haben gemein, dass sie Medien sind. Ein Medium ist laut Duden ein „vermittelndes Element“ beziehungsweise ein „[Hilfs]mittel, das der Vermittlung von Information und Bildung dient (z.B. Buch, Tonband)“.

(Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Medium_Vermittler_Traeger#Bedeutung1)

Trifft das auf LARP ebenso zu? Ist LARP ein Mittel, Informationen zu vermitteln? Das lässt sich nicht verneinen, ist in der Regel über Setting, Plot und eventuell Charakterauswahl doch ein gewisses Maß an Inhalt definiert, das über das Medium LARP transportiert wird. Oftmals wird hierbei jedoch in der Betrachtung vernachlässigt, wie breitgefächert die Inhalte sein können. Es geht hierbei von rein komödiantischen oder unterhaltenden Inhalten über emotionsgeladene Dramen, Action, Horror aber auch bis hin zu ernsthaften Auseinandersetzungen mit kritischen Themengebieten. Gerade durch Bleed ist es möglich, auf dem relativ sicheren Terrain des LARP emotionale Erfahrungen und Einblicke zu erhalten, die sonst nicht möglich gewesen wären. Bleed bezeichnet das Übertreten von Emotionen und Erfahrungen zwischen Charakteren und Spielern in beide Richtungen 

In diesem Falle ist vor allem Bleed-Out, also das „Ausbluten“ von den im Spiel gemachten Erfahrungen des Charakters in die Gefühlswelt des Spielers ausschlaggebend. (Mehr hierzu: ) Doch die LARP-Welt ist nur auf den ersten Blick sicheres Terrain, denn in solch emotional brisanten Situationen trägt jeder Teilnehmer nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitspieler die Verantwortung.

Ich gehe hierbei einmal bewusst auf die extremsten Fälle ein, die auf Cons geschehen sind, die speziell auf solche Erfahrungen ausgelegt waren, und nicht viel mit Standard-Fantasy-Cons zu tun haben. So berichtete mir eine Frau in einem Gespräch, dass es eines der ihrer intensivsten und nachhaltigsten Erlebnisse war, auf einer Con in eine Situation zu geraten, in der ihr Charakter vergewaltigt wurde. Sie beschrieb, dass es eine unglaublich tiefgreifende Erfahrung war, die es ihr erlaube, von nun an tiefere Einblicke in die Psyche von vergewaltigten Frauen zu haben und sie mehr als jemals vorher zu verstehen. Im Nordic-LARP gibt es ein Spiel, dass darauf ausgelegt ist, dass man von anderen Teilnehmer gemobbt wird bzw. diese mobbt, um im Nachhinein in einer Reflektionsrunde die Erlebnisse zu rekapitulieren (Fat man down und Experimenting with the bleed). Erstaunlicherweise fühlten sich die Mobbenden sehr unwohl in ihrer Rolle, und alle haben Einblicke in die Psyche bei solchen Vorgängen erhalten, die ihnen vorher verwehrt geblieben waren.

LARP kann also die komplette Bandbreite an Themen und Inhalten abbilden, ähnlich wie die meisten anderen Medien. Auch wie bei anderen Medien ist es auch hier dem Konsumenten überlassen, welche Inhalte und wie stark er diese konsumiert. „Ich spiele LARP.“ ist damit genauso eine allgemeine Aussage wie: „Ich lese Bücher.“ oder „Ich höre Musik.“ Der Haken ist, welche Bücher wir lesen und welche Musik wir hören beziehungsweise, welche Art von LARP wir bevorzugen. Hierbei gibt es kein besser oder schlechter, sondern nur persönliche Vorlieben. Wenn sich jemand nicht mit ernsten Themen in seiner Freizeit beschäftigen will, sondern sachte, familiengerechte Unterhaltung sucht, ist das genauso okay, wie sich mit den Abgründen der eigenen oder der menschlichen Psyche im allgemeinen zu beschäftigen. LARP kann dies alles bedienen. Oftmals kommt noch der Einwand, LARP sei ein Weg, der Realität zu entfliehen. Und ja, natürlich dient es dazu. Genauso wie jedes Buch und jeder Film uns in seine Welt zieht und uns während des Konsums alles andere vergessen lässt.

Der Unterschied ist die Beteiligung

Der wichtigste Punkt jedoch ist, dass LARP ein partizipatorisches Medium ist. Es basiert auf und funktioniert nur mit der Beteiligung aller Teilnehmer. Dies sorgt dafür, dass aus Konzept und Umsetzung ein Gesamtwerk wird. Dieses jedoch kann, im Gegensatz zu anderen Medien, nicht festgehalten werden. Es existiert nur für diesen Augenblick; für diese Teilnehmer. Das gleiche Konzept mit den gleichen Plots, ja, vielleicht sogar den gleichen Charakteren, würde bereits mit nur der Veränderung einzelner Komponenten (andere Spieler/Requisiten/Ort/Zeit) eine andere Erfahrung für die Teilnehmer beinhalten. Gerade dieses momentane, nicht reproduzierbare und oftmals sehr intensive Erlebnis prägt häufig die Gemeinschaft und führt zu Gruppenerlebnissen/Insiderwitzen und „you-had-to-be-there“-Erzählungen voller Euphorie. Außenstehende können diese oftmals nicht nachvollziehen und zum Vergleich nur ähnliche eigene Erfahrungen heranziehen.Das heißt aber auch, dass nicht nur die Orga ein LARP macht, sondern, dass ein LARP von allen gemeinsam gestaltet, ja sogar erst erschaffen wird, während es gespielt wird.

Ein letzter Versuch

LARP ist ein relativ junges, partizipatorisches Medium, das durch seine Offenheit und die enorm große Anzahl an Möglichkeiten, sich zu beteiligen, so attraktiv ist. Durch die Teilnehmer und sozialen Interaktionen bietet es die Möglichkeit, sich selbst besser zu verstehen und weiterzuentwickeln. Es bietet außerdem viele Möglichkeiten von der Selbstverwirklichung bis hin zum simplen Zeitvertreib.

Zu guter Letzt: Dies ist weder eine endgültige Definition, noch erhebe ich Anspruch darauf, dass sie für Jeden gelten muss. Es ist mein derzeitiger Versuch, LARP zu definieren. Diese Definition kann und wird sich ändern und ich bitte sogar darum, sie zu diskutieren und zu verbessern. Ich hoffe, dieser Definitionsversuch bringt euch dazu nachzudenken, und eure eigene Definition für LARP zu finden. 

Artikelbilder: Nabil Hanano, Drachenfest 2013, Diemelstedt

 

4 Kommentare

  1. Mal ehrlich – ihr schreibt unter creative common license und bastelt dann eure Artikel auf der Webseite so zusammen, dass man euren Krams eben nicht nutzen kann, weil man lauter Sternchen in den Text gezimmert bekommt? Läuft der Idee des Ganzen doch arg zuwider.

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